Rundgang: Women – Life – Freedom. Künstlerinnen aus dem Iran (Saarland Museum – Moderne Galerie)

Das Saarlandmuseum zeigt seit dem 22. Juli 2023 in der Ausstellung Women – Life – Freedom die Werke von sechs Künstlerinnen, die den Iran aus politischen Gründen verlassen haben und heute verstreut über den Globus leben und arbeiten. Die Ausstellung selbst versteht sich als Unterstützung der iranischen Freiheitsbewegung und zeigt aktuelle Werke, die unter dem Einfluss der gegenwärtigen Ereignisse entstanden sind. Zitate im Text beziehen sich stets auf die Begleittafeln in der Ausstellung.

Beim Eintritt trifft man zur Rechten auf die Serie Papillon Collection II von Parastou Forouhar (*1962). Es handelt sich um acht großformatige, ornamentale Grafiken. Durch die symmetrischen Spiegelungen wirken die Umrisse wie die Flügel von Schmetterlingen. Die Ornamente zeigen Anordnungen verletzter Menschen, von Toten, aber auch Gruppen in kämpferischen Posen – Bilder des Widerstands, „Szenen von Unterdrückung, Aufstand und Ausgeliefertsein“.

Zur Linken erstreckt sich eine 15m breite Tapetenwand derselben Künstlerin. Die Grafik ist übersät mit menschlichen Augen, die Pupillen Fadenkreuze - Symbole der permanenten Beobachtung und Überwachung des Individuums durch die staatlichen Institutionen. Das Individuelle löst sich in dieser totalen Kontrolle beinahe vollständig auf: Nur mit großer Anstrengung lassen sich auf der Wand leidende Figuren fokussieren; bei einem Perspektivwechsel des Betrachters scheinen sie sofort wieder zu verschwinden. Ein Werk, das in seinem Thema noch die Tücken und Grenzen menschlicher Wahrnehmung und Empathie vorführt.

Gegenüber wird mit drei Beamern eine Video-Installation der Künstlerin Simin Keramati (*1970) in Dauerschleife präsentiert: Unsolicited love letters. „Das Werk handelt von Liebe, Krieg, Tod und den Ursachen für Emigration, dargestellt anhand der Liebesgeschichte von „Layli and Majnun", einem Äquivalent zu Shakespeares Romeo und Julia, geschrieben von dem persischen Dichter Nizami Ganjavi (1141-1209). In der Videoarbeit schreibt Layli Liebesbriefe an den toten Majnun und führt ein Leben in der Moderne weiter.“

Im hinteren Teil des Raums trifft man auf das Objekt Rüstung des Widerstands von Homa Emami (*1955). Ringe aus abgeschnittenen Haaren, das Symbol der gegenwärtigen Freiheitsbewegung, setzen eben jene Rüstung zusammen. Sie ist „vergänglich, zart“ und eben leider höchst durchlässig.

Haare als bestimmendes Symbol des Widerstands findet man auch in einer anderen Arbeit Emamis wieder, welches sich im zweiten Raum der Ausstellung befindet. Dokumente der Zeit drapiert abgeschnittene Haarsträhnen mit Koordinaten und Datumsangaben auf einer großen Leinwand. Sie werden als Zeugnisse des Widerstands archiviert und kartographiert.

Links daneben befindet sich eine Serie von zwölf Drucken der Künstlerin Roshi Rouzbehani (*1985). Die Drucke kombinieren ikonische Motive der iranischen Freiheitsbewegung mit den Gestaltungsmitteln westlicher Plakatkunst. Die Darstellungen erinnern auch an den Film A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (2014) von Ana Lily Amirpour (*1980), deren Eltern nach der islamischen Revolution 1979 aus dem Iran nach Großbritannien geflohen sind.

Gegenüber werden sechs Werke von Jinoos Taghizadeh (*1971) ausgestellt. Im Zentrum dieser Drucke stehen, bzw. liegen im Iran gestrandeten Wale. Symbolisch aufgeladen werden diese Bilder durch die Auswahl der Orte, an denen die Wale gestrandet sind: zum Beispiel an der Universität und dem Theater Teherans oder der Moschee von Isfahan. Allesamt Orte, zu denen Frauen seit der islamischen Revolution keinen gleichberechtigten Zugang mehr haben.

Links am Fenster befindet sich die Arbeit An Empty Sofreh von Samira Hodaei (*1981). „Für diese „Leeren Tischtücher", die an den Nahrungsmittelmangel in ihrer Heimat erinnern, nutzt die Künstlerin präparierte Stoffbahnen, die in Handarbeit mit Mustern bedruckt, bei Musterfehlern aber aussortiert werden. Die Ausschussware gestaltet sie mit dicht gesetzten Punkten aus Glasfarbe.“

Von der gleichen Künstlerin ist die Installation Cinema Europe aus dem Jahr 2018, welche die Ausstellung abschließt. Das Werk, das in einem abgetrennten Bereich ausgestellt wird, besteht aus einer schwarzen Kino-Leinwand mit schwarzen Vorhängen, vor die sechs leere Stühle aufgereiht sind. Ergänzt werden diese durch zwölf Bilder, platziert an der Wand gegenüber. Es sind Portraits von Frauen, die sich wie im Horrorfilm immer weiter aufzulösen scheinen, bis sie kaum noch zu erkennen sind. Die Installation erinnert in ihrem konkreten Bezug auf die Vergangenheit an die Bilder der Facebook-Seite Before Sharia Spoiled Everything , deren Ziel es ist, die Veränderungen im kulturellen Leben der Menschen und Orte zu dokumentieren, die durch den Einzug eines konservativen Islams in islamischen Ländern hervorgerufen wurden.

Die Ausstellung Women – Life – Freedom des Saarland Museums – Moderne Galerie läuft noch bis zum 18.02.2024. Sie bietet interessante Einblicke in die künstlerische Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen Verhältnissen im Iran aus exilantischer, weiblicher Perspektive. Die Arbeiten sind allesamt von tiefer Einfühlung und Solidarität geprägt. In Ausdruck und Wirkung evozieren sie Stimmungen, die von kämpferischer Hoffnung bis zu absoluter Verzweiflung reichen.

 

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