„Wenn die iranischen Machthaber Demonstrationen erlauben würden, wären Millionen auf den Straßen Irans“ - Interview mit Matthias Küntzel

Matthias, wie schätzt Du die Erfolgsaussichten der aktuellen Protestbewegung im Iran ein?

Es ist völlig klar, dass diese revolutionäre Entwicklung Zeit beanspruchen wird, es wird Aufs und Abs geben. Ebenso klar ist, dass das Regime nicht mehr die Oberhand gewinnen kann, weil die Proteste einfach zu stark und zu tief verankert sind. Das Regime hat im Moment kein Rezept, wie es mit diesen Protesten fertig werden kann, außer Repression und Einschüchterung. Von daher ist davon auszugehen, dass die Proteste weitergehen werden.

Es hat ja jetzt auch Demonstrationen mit mehreren zehntausend Leuten anlässlich des 44. Jahrestages der islamischen Revolution gegeben. Was sind das für Leute, die da demonstriert haben, die diese Pro Regime-Demonstrationen veranstaltet haben? Wie repräsentativ sind diese Menschen?

Man muss dazu Folgendes sagen: Erstens, wenn die iranischen Machthaber Demonstrationen erlauben würden, wenn die legal stattfinden könnten, ohne dass mit Scharfschützen auf die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer geschossen wird, dann wären das Millionen, die auf den Straßen Irans wären. In diesem Fall war es eine vom Regime organisierte Demonstration. Im Iran ist der 11. Februar ein Feiertag, und die Schulen wurden verpflichtet, an dieser Demonstration mit ihren Schülern teilzunehmen. Es wurden den Lehrern Strafen angedroht, wenn sie das nicht befolgen. Dennoch gab es auch bei den Regimedemonstrationen ganz viele Rufe nach Sturz des Regimes. Es war eine sehr gemischte Veranstaltung, unter Voraussetzungen, die eben ganz anders waren als wenn man wirklich legal demonstrieren könnte. Wobei man natürlich auch festhalten muss, dass es immer noch vielleicht 15 Prozent der Bevölkerung gibt, die auf Seiten des Regimes stehen, die man eventuell mobilisieren kann. Andere Teile des Regimes, die Basijis, kriegen bestimmte Vergünstigungen, wenn sie festhalten an der Politik des Regimes. Von daher gibt es da noch einen Prozentsatz von Menschen, die ein Interesse daran haben, dass das Regime nicht gestürzt wird, und es kann sein, dass es dem Regime gelungen ist, diese Leute zum Teil auch zu mobilisieren.

Was können wir im Westen, wir als Bürger tun, um die Protestbewegung im Iran zu unterstützen?

Es ist schon sehr wichtig, dass Kundgebungen und Demonstrationen zugunsten der iranischen Revolution stattfinden. Es gab zum Beispiel solche Dinge in Oldenburg, es gab Erklärungen und Stellungnahmen aller Parteien in Lüneburg. Auch solche kleineren Maßnahmen in kleineren Städten, sofern sie irgendwie kommuniziert werden können nach Iran, steigern das Gefühl der Solidarität in der Welt und steigern auch die Bereitschaft der Iranerinnen und Iraner, ihren Kampf fortzusetzen.

Ansonsten geht es vor allem darum, Druck zu machen, Druck auf die Regierung, auf die Bundesregierung, auf die EU-Staaten, also vor allem jetzt die Listung der Revolutionsgarden auf die Terrorliste durchzusetzen.

Welche Rolle spielen die Unterstützer des Regimes hierzulande? In Deutschland? Oder auch in der EU?

Man muss da verschiedene Sparten unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es natürlich die Unterstützer des Regimes, die direkt vom Regime bezahlt werden, sei es, als scheinbar neutrale Berater der Bundesregierung, sei es als Agenten in den Botschaften und Konsulaten, die dann auch entsprechend die Oppositionsbewegung bespitzeln. Und es gibt auf der anderen  Seite diejenigen, die sagen – also die indirekten Unterstützer des Regimes – die sagen,  die Proteste bringen sowieso nix. Man kann nix machen gegen so ein Regime. Es wäre besser, wenn die Frauen sich abfinden mit ihrer Situation, bevor ein gewisses Chaos ausbrechen könnte. Das sind Stimmen, die bis in die Bundesregierung hinein ebenfalls eine Rolle spielen, in den Medien teilweise eine Rolle spielen und die natürlich auch die Freiheitsbewegung im Iran verraten.

Danke für das Gespräch!

Mit dem Politikwissenschaftler und Historiker Dr. Matthias Küntzel sprach Klaus Blees vom Redaktionsteam des Blogs nach seinem Vortrag „Iranischer Aufstand und nukleare Bedrohung: Wie sollte der Westen reagieren?“, den er am 14. Februar 2023 auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Trier hielt.

Mehr Informationen auf www.matthiaskuentzel.de.

 

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