Konferenz "Antisemitismus in der islamischen Welt und in Deutschland"

Für Freitag, den 8. Dezember 2023 hatte das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) der Goethe-Universität Frankfurt zur Konferenz „Antisemitismus in der islamischen Welt und in Deutschland“ ins Historische Museum Frankfurt eingeladen. Geleitet wurde die Konferenz von der Direktorin des FFGI, der Ethnologin Prof. Dr. Susanne Schröter.

Auf die Inhalte der Vorträge gehe ich allenfalls kurz ein, dazu ist einiges in den verlinkten Medienbeiträgen zu lesen, und ein Gesamtmitschnitt der Konferenz wird noch ins Internet gestellt.

Die Konferenz stieß auf ein erstaunlich großes Medienecho, unter anderem waren mehrere Kamerateams anwesend.

Schirmherrin war Lucia Puttrich (CDU), Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Hessen beim Bund, die persönlich nicht teilnehmen konnte, deren Grußwort aber von Susanne Schröter verlesen wurde. Ihr Grußwort kam nicht ohne relativierende Untertöne aus. So fühlte sie sich bemüßigt, zu erklären, wer das Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza anspreche, sei nicht automatisch Antisemit. Das hat aber niemand unterstellt. Nicht denen, die dieses Leiden ansprechen, wird Antisemitismus vorgeworfen, sondern denen, die dieses Leiden instrumentalisieren, um Israel zu dämonisieren und die Verantwortung der Hamas dafür leugnen. Diesen Unterschied ignoriert Frau Puttrich. 

Ein Grußwort sprach dann der hessische Antisemitismusbeauftragte und ehemalige Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Uwe Becker (CDU), der unter anderem für ein Verbot antisemitischer, israelfeindlicher Symbole plädierte.

Der Jurist Prof. Dr. Wolfgang Bock von der Justus-Liebig-Universität Gießen hielt den ersten Vortrag, über „Völkerrechtliche Grundfragen des palästinensisch-israelischen Konflikts“. Er machte unter Bezugnahme auf die Regeln des Völkerrechts deutlich, dass Israel keineswegs gegen dieses verstößt, auch nicht mit seiner Siedlungspolitik. Juristisch hätten die Palästinenser kein Anrecht auf einen eigenen Staat. Ob dieser irgendwann dann trotzdem zustande komme, sei eine politische, keine juristische Frage.

Prof. Dr. Stephan Grigat von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Leiter des Zentrums für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) sprach über „Die Einsamkeit Israels: Zionismus und Antisemitismus im neuen Nahen Osten“. Er widersprach Susanne Schröters in ihrer Begrüßung vorgebrachte Behauptung, der linke Antisemitismus sei ein Tabu. Seit 30 Jahren komme die schärfste und deutlichste Kritik am linken Antisemitismus von proisraelischen Linken. Er selber sei ein Vertreter dieser Linken. Als einen der zentralen Gründe islamischer Israelfeindschaft benannte er die Selbstermächtigung der Juden durch die Gründung eines eigenen Staates. In der islamischen Welt seien die Juden (wie die Christen) Dhimmis gewesen, „Schutzbefohlene“ mit minderen Rechten, die sich den Muslimen zu unterwerfen hatten. Diesen quasi gottgewollten, natürlichen Status hätten sie mit dem Akt der Staatsgründung mitten in der islamischen Welt durchbrochen. Grigat betonte auch, ohne seinem Vorredner Bock in der Sache zu widersprechen, für ihn sei nicht der rechtliche Aspekt zentral, sondern unabhängig davon das richtige Handeln Israels.

„Die Juden im Koran: Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“ lautete dann der Titel des Vortrags von Dr. Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Der islamische Religionspädagoge Ourghi, der schon zweimal Vortragsgast der Aktion 3.Welt Saar war, betonte, Antisemitismus sei ein Problem des Islam. Er wies nach, dass der islamische Antisemitismus seine Grundlagen schon im Koran und in der Politik des Propheten Mohammed hat. Der Koran sei kein historisches Buch. Eine kritische Lesart und Revision der Überlieferungen sei nötig, um sich von der islamischen Judenfeindschaft zu lösen. Auch Mohammed sei nur ein Mensch mit Fehlern gewesen. Die Muslime müssten sich vom Antisemitismus distanzieren und ihre Schuld einsehen.

Heiko Heinisch vom wissenschaftlichen Beirat der Dokumentationsstelle Politischer Islam in Österreich referierte über „Das Netzwerk der Muslimbruderschaft – von den Nationalsozialisten bis zur Hamas“. Aus der 1928 in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft sei auch die Hamas hervorgegangen, die sich in ihrer Charta auf diese beziehe. Der mit den Nationalsozialisten kollaborierende Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, sei deren Oberhaupt in Palästina gewesen.

Der Frankfurter Islamwissenschaftler Dr. Armin Eschraghi thematisierte „Israels Zerstörung als Staatsräson – welche Ziele verfolgt die Islamische Republik Iran?“

Mirjam Rosenstein, Executiv Director Nahost Friedensforum (NAFFO) sprach über die „Deutsche Nahostpolitik zwischen Staatsräson und ‚Israelkritik‘“. Von deutscher Seite sei die Sicherheit Israels als Staatsräson bezeichnet worden, was oft nur ein Lippenbekenntnis gewesen sei. Heute habe sich das Verhältnis umgekehrt, Israel gebe Deutschland Sicherheit, zum Beispiel durch die Lieferung von Luftabwehrraketen.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Geschäftsführer des Tikvah Instituts und langjähriger Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen hielt einen sehr kritischen Beitrag über „Deutsche Islampolitik und die Islamischen Dachverbände – Eine Geschichte von Fehlannahmen, Irrwegen und Sackgassen“.

Den letzten Vortrag hielt Prof. Dr. Susanne Schröter: „Die neue Querfront: Linker und muslimischer Antisemitismus in Deutschland“. Beide Gruppen fänden trotz völlig unterschiedlicher Wertvorstellungen in der Israelfeindschaft ein verbindendes Element.

„Wie können alle Formen von Antisemitismus in Deutschland effektiv bekämpft werden?“ lautete die Frage an die Teilnehmer:innen des Abschlusspodiums: Den CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch, den Vizepräsidenten des Hessischen Landtags und ehemaligen hessischen Integrationsminister, Jörg-Uwe Hahn (FDP), die stellvertretende Vorsitzende des deutschen Zweigs der israelischen Wohlfahrtsorganisation Keren Hayesod, Malca Goldstein-Wolf und den Journalisten und Islamwissenschaftler Abdul-Ahmad Rashid, Moderator der islamischen ZDF-Sendereihe „Forum am Freitag“.

Rashid betonte in der Vorstellungsrunde, er verstehe sich in erster Linie als Deutscher, betrachtet also seine muslimische Religion nicht als primären Bestandteil seiner Identität.

Willsch und Goldstein-Wolf warteten mit einem beliebten „Patentrezept“ auf: Antisemitische Migrant:innen und Flüchtlinge sollten abgeschoben bzw. die Grenzen ihnen gegenüber dichtgemacht werden. Eine rigorosere Abschiebepolitik ist aber eine Scheinlösung. Denn dadurch würde Antisemitismus NICHT eingedämmt, sondern verlagert in die Länder, in welche die Antisemiten abgeschoben werden. Das nennt man auch St. Florians-Prinzip: "Heiliger St. Florian, verschon’ mein Haus, zünd' andre an!" Wir haben dann hier ein Stück weit unsere Ruhe, dafür verstärkt sich anderswo das Problem. Was sehr unfair wäre gegenüber den Ländern, welche die Antisemiten dann aufgedrückt bekämen. Es käme aber darauf an, den Brand Antisemitismus zu löschen, statt den Brandherd zu verlagern. Deutsche Antisemit:innen - und auch die islamischen und die linken Antisemit:innen hierzulande sind großenteils Deutsche - können ohnehin nicht abgeschoben werden. Abgesehen davon hat eine Asylpolitik, die den Namen verdient, nicht danach zu fragen, ob Flüchtlinge „gute Menschen“ sind, sondern ob sie verfolgt werden. Wenn sie in ihren Herkunftsländern von Verfolgung, Folter, Gefängnis und Mord bedroht sind, verdienen auch die Antisemit:innen unter ihnen Schutz. Zugleich müssen Wege gefunden werden, ihrem Antisemitismus wirkungsvoll entgegen zu treten. Menschen können eben zugleich Opfer und Täter sein. Hahn widersprach den beiden dann auch.

Hahn zeigte sich ohnehin sehr selbstkritisch: Er sei als Integrationsminister verantwortlich gewesen für die Einführung des islamischen Bekenntnisunterrichts, durchgeführt von der dem türkischen Religionsamt unterstellten DITIB und der islamischen Ahmadiyyah-Religionsgemeinschaft, was er heute als Fehler sehe.

Rashid meinte unpassenderweise, man müsse auch die israelische Armee kritisieren dürfen. Als gebe es diese Kritik nicht. Als werde nicht in Israel kritisch darüber diskutiert, wie die militärische Selbstverteidigung am effektivsten gestaltet werden könne.

Passenderweise gab es vor dem Museum eine Gegenkundgebung linker Antisemit:innen, die die Konferenz als „rassistisch“ denunzierten. Es war ein kleines Häuflein, angeführt von den Frankfurter „Studis gegen rechte Hetze“, die unter Rassismus und rechter Hetze nicht in erster Linie die Aktivitäten tatsächlicher Rechtsextremist:innen, sondern vor allem die Kritik an der Dämonisierung Israels und am islamischen Antisemitismus verstehen. Den Widerspruch zu erkennen, dass sie sich selber in einer Querfront mit Islamist:innen UND Neonazis befinden, deren Feindbild Israel sie teilen, übersteigt ihren engen Horizont.

Die Vorträge waren im Gegensatz zur Abschlussrunde sehr sachlich, legten die Wurzeln des israelbezogenen Antisemitsmus frei und beleuchteten seine Erscheinungsformen. Alle Referent:innen zeigten sich ohne Wenn und Aber solidarisch mit Israel. Auffallend ist allerdings, wie so oft bei derartigen Fachtagungen, dass Aktivist:innen der Zivilgesellschaft mit ihrer praktischen UND theoretischen Expertise nicht bei den Vorträgen oder der Diskussionsrunde vertreten waren. Es ist eben einfacher, politische Prozesse wissenschaftlich so zu bewerten, als seien primär staatliche Institutionen, Parteien und NGOs, die sich diesen unterordnen, die Akteure, die bestenfalls von einer nicht näher charakterisierten Zivilgesellschaft begleitet werden. Im Ergebnis führt dies zu immer gleich gearteten Diskussionsrunden, die sich nicht grundsätzlich von den Mainstream-Talkshows im TV unterscheiden: Man weiß vorher, wer daran teilnimmt, man weiß vorher, was gesagt wird. Und man weiß auch, was alles nicht gesagt wird.

Medienbeiträge zur Konferenz:

Die Islamverbände in Deutschland sind eindeutig ein Teil des Problems
Interview von Ralf Balke mit Susanne Schröter, Jüdische Allgemeine 14.12.23

KONFERENZ VON SUSANNE SCHRÖTER - Eine „neue Querfront“ aus Muslimen und Linken
Von Alexander Jürgs, FAZ 9.12.23

Konferenz zu Antisemitismus in Frankfurt
Von Carsten Praeg und Rolf Schoenecker, SAT1 8.12.23

Wissenschaftler: Judenhass der Hamas hat tiefe Wurzeln
epd, Evangelische Zeitung 8.12.23

Antisemitismus in Deutschland steigt an
Von Sophie Kerkmann, rheinmaintv 8.12.23

Vor dem 7. Oktober war es kaum möglich, über muslimischen Antisemitismus zu sprechen
Welt Video, 8.12.23

 

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