Einen Hinweis auf das, was uns aufgefallen ist, gibt die Trefferanzahl bei Google. Das Suchportal listet für die Suchbegriffe „Qatar“ und „World Cup“ rund 161 Millionen Treffer auf. Für die Kombination „Qatar“ und „Workers“ sind es immerhin noch gut 40 Millionen. Wer allerdings nach „Qatar“ und „Islamism“ sucht, stößt nur noch auf 2,1 Millionen Ergebnisse. Die deutsche Entsprechung fördert dann noch knapp unter 96.000 Treffer zu Tage.
Was uns konkret aufgefallen ist, ist, dass sich der Diskurs rund um die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft, abgesehen vom Sportlichen, vornehmlich um die Art und Weise der WM-Vergabe (Stichwort Korruption) oder um die im Land vorherrschenden katastrophalen Arbeitsbedingungen, dreht. Eine Kritik an Katar als absolute Monarchie, deren Gesetzgebung weitgehend auf der Scharia beruht, findet oft gar nicht oder höchstens beiläufig statt.
Die Debatte über die Fußball WM 2022 wird mit zunehmender zeitlicher Nähe auch hierzulande mit Verve geführt. Bei manch einer Diskussion bekommt man allerdings das Gefühl, dass es ein größerer Skandal ist, „wann“ die WM stattfindet (im Winter!), als „wo“ und unter welchen gesellschaftlichen Gegebenheiten. Immerhin wird beim Boykottaufruf der Kampagne #BoycottQatar2022 die Einschränkung von Menschenrechten, insbesondere die Ungleichbehandlung von Frauen und die Diskriminierung von queeren Menschen als einer von vielen Kritikpunkten gegen die Vergabe der WM nach Katar durch die FIFA im Jahr 2010 ins Feld geführt. In der aktualisierten Auflage der Broschüre „Warum wir die WM 2022 boykottieren“ (Stand 09/2022) wird nun auch kritisch auf den Islam als Staatsreligion Bezug genommen.
Dennoch wird unserer Meinung nach zu wenig darüber debattiert, inwiefern die Diskriminierung von Frauen und queeren Menschen mit der in Katar herrschenden Auslegung des Islam zusammenhängen, was die Muslimbrüder damit zu tun haben und welche Rolle Katar bei dem Export von Islamismus oder bei der Finanzierung der Terrororganisation Hamas einnimmt.
Statt diese Zusammenhänge kritisch zu beleuchten, wird in den einschlägigen Diskussionen gern auf kulturelle Unterschiede und vorherrschende Traditionen in orientalischen Ländern verwiesen. In dem Talkshow-Format 13 Fragen des ZDF wurde sogar ein Islam-Wissenschaftler zur Diskussion über den Boykott der WM eingeladen, ohne dass allerdings auch nur ein einziges Mal Islamismus oder die ultra-konservative Auslegung des Islams in Katar problematisiert wurde.
Und genau diese Schieflage der gesellschaftlich geführten Diskussion hat uns dazu bewogen, unseren neuen Blog mit Texten über den Zusammenhang der Fußball Weltmeisterschaft und Islamismus zu beginnen.
Dr. Peter Rüttgers gibt zunächst einen Überblick über die aktuelle Menschenrechtssituation in Katar und Katarine Eggers stellt sich die Frage Boycott or not?.
Die Redaktion wünscht eine erhellende Lektüre!