"Für eine offene und solidarische Gesellschaft" lautete das Motto einer Kundgebung am 15. Februar in Trier. Sie richtete sich gegen das Erstarken der AfD und gegen das weitere Aufweichen der ohnehin schon schwachen "Brandmauer" gegen diese rechtsextreme Partei, vor allem durch Friedrich Merz & Co, deren Kurs innerhalb der Unionsparteien nur auf schwachen Widerstand stößt. Daran hat sich auch nichts geändert, als Michel Friedman in einem spektakulären Akt die Partei verließ, nach 43 Jahren Mitgliedschaft. Auch, dass die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrem Parteifreund Merz widersprach, zeitigte keine sichtbaren Konsequenzen in der CDU. Dagegen ein Zeichen zu setzen, ist dringend geboten, und so war auch das Anliegen der Trierer Kundgebung prinzipiell berechtigt. Allerdings sind uns an der Kundgebung einige Dinge aufgefallen, die das Anliegen, gegen Menschenfeindlichkeit zu demonstrieren, schwächen oder gar unterlaufen.
Zunächst einmal fällt auf, dass Antisemitismus offenbar kaum als Bedrohung angesehen wurde. Der taucht schon im Aufruf nur in einer Aufzählung unter "Ferner liefen" auf und wurde auch in den Redebeiträgen und auf den Transparenten und Schildern meist überhaupt nicht oder nur nebenbei erwähnt. Nirgends wurde Bezug genommen auf den in Deutschland und darüber hinaus global grassierenden Antisemitismus, der seit dem 7. Oktober 2023 sichtbarer geworden ist, was zum Teil physische Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen und auf israelsolidarische Menschen einschließt und mit Demonstrationen, Universitätsbesetzungen und Mobbingkampagnen gegen Künstler:innen einhergeht, die sich dem subtilen, manchmal aber auch unverblümten Diktat der Israelkritik nicht beugen.
"Reaktionäre, rechte und konservative Kräfte wollen unsere demokratische und vielfältige Gesellschaft spalten", heißt es im Trierer Aufruf. Kein Wort zur Bedrohung durch islamische und linke Antisemiten. Bezeichnend sind auch die pauschalen Angriffe auf konservative Kräfte, wo es doch in diesem Zusammenhang in Wirklichkeit um rechtskonservative Kräfte geht. Denn unter Konservativen gibt es ja durchaus Widerstand gegen diese Entwicklungen, wie das Beispiel des Konservativen Michel Friedman zeigt. Aber mal abgesehen vom Verschweigen des islamischen und linken Antisemitismus wurde auch der Antisemitismus der AfD so gut wie nicht thematisiert, obwohl dieser doch einen elementaren Bestandteil der Politik dieser Partei ausmacht! Zu dieser Ausklammerungsmentalität im Anti-AfD-Lager siehe Stefan Dietls Aufsatz "Der blinde Fleck" in Jungle World Nr. 7 / 2025.
Diese Ignoranz deutet darauf hin, dass man den Antisemitismus als ein zweitrangiges Problem ansieht, und dies nach dem Oktoberpogrom der Hamas und seinen Folgen. Auch die menschenrechtliche Forderung nach Freilassung der Geiseln fehlt.
Oder ist es bei Teilen des Anti-AfD-Lagers mehr als nur Ignoranz? Könnte es sein, dass in Teilen dieses Spektrums die Thematisierung von Antisemitismus deshalb vermieden wird, weil man den Antisemitismus in den eigenen Reihen nicht benennen möchte? Bei der Kundgebung in Trier waren Leute beteiligt, die sichtbar eine Kufiya, ein Palästinensertuch, trugen. Wie ist es möglich, dass man diesen Menschen die Teilnahme ermöglicht, obwohl man, wenn auch nur in Nebensätzen, gegen Antisemitismus ist? Einer Teilnehmerin, die auf einem Schild islamistische Terroranschläge anprangerte, wollten die Veranstalter hingegen einen Platzverweis erteilen, mussten sich aber von der Polizei belehren lassen, dass sie dazu keine rechtliche Handhabe besitzen.
Aber es blieb nicht bei diesen optischen Zeichen. Eine Rednerin der sogenannten "Feministischen Vernetzung Trier" kam darauf zu sprechen, Trump, Putin und Netanjahu seien schon alt, und es sei davon auszugehen, dass sie in absehbarer Zeit sterben würden. Und dass sie bald "abkratzen" würden - das Wort gebrauchte sie tatsächlich - sei erfreulich. Also: Eine Trierer Feministin wünscht sich, dass der Jude Netanjahu bald „abkratzt“. Die Veranstalter ließen sie gewähren. Es ist offensichtlich, dass es dabei nicht um Kritik an Israels Regierungspolitik ging, die in Israel selber heftig umstritten ist. Hier ging es um die Dämonisierung Israels, die sich gerne daran aufhängt, dass Israel derzeit eine rechte Regierung hat. Da kann man dann leicht den eigenen Antisemitismus als "Kampf gegen Rechts" verkaufen. Wenn es wirklich um die Kritik an autokratischen Politikern ginge, warum wurde dann Netanjahu neben den anderen beiden genannt? Warum wurden aber nicht Khamenei, Erdogan, Xi Jinping, Lukaschenko oder Mahmud Abbas - ebenfalls alte Männer - in die Aufzählung aufgenommen? Nur zufällig von der Rednerin gewählte Beispiele?
Bezeichnend war, dass der einzige Redner, der scharf den Islamismus brandmarkte, aus dem Iran stammt. Hier hätte aber auch - gerade auf einer Anti-AfD-Kundgebung - der Hinweis gepasst, dass die angeblich so islamkritische AfD zu den Hauptlobbyisten des iranischen Regimes hierzulande gehört.
Eine Rede hielt auch die "Animal Liberation Trier“. Die durfte dann ausgerechnet auf einer Demo gegen Rechts gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit relativieren. Ihr Redner tat dies, indem er den ideologischen Begriff des "Speziesismus" einbrachte. Der Begriff suggeriert, dass nicht nur Menschen - wie im Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus usw. - diskriminiert werden, sondern auch Tiere. Dazu dient die analoge Wortschöpfung "Speziesismus". Anthropomorph wird hier Diskriminierung, die Verhältnisse zwischen Menschen betrifft, auf das Verhältnis Mensch-Tier übertragen, Tiere werden vermenschlicht und mit diskriminierten und verfolgten Menschen gleichgesetzt. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um Tierschutz, der den Umgang von Menschen mit Tieren gesetzlich regelt, sondern um eine Gleichsetzung von Tieren mit Menschen. Solche Ideologie ist dann nicht weit entfernt von dem, was bei den "Tierrechtlern" von PETA zu beobachten ist, die Legebatterien von Hühnern schon mal mit Konzentrationslagern ("Hühner-KZ") gleichsetzen oder vom "Holocaust auf dem Teller" sprechen. Siehe dazu beispielsweise unsere Eindrücke von der „Wir haben es satt“- Agrardemonstration am 17. Januar 2015 in Berlin (unter der Überschrift "Negativ war und zum Kotzen fanden wir…").
Der Trierische Volksfreund berichtete hier über die Kundgebung.