Boycott or not?

Während des Aufbaus dieses Blogs ist uns aufgefallen, dass sich viele Menschen, Initiativen und Vereine einig sind, dass die diesjährige Fußballweltmeisterschaft in Katar zu boykottieren sei. So schlägt z.B. die Initiative Back2Bolzen vor, öffentlichkeitswirksame Events während der Spiele zu organisieren, um diese so aktiv zu boykottieren. Denn „wer den Fußball liebt, leidet an der FIFA-Entscheidung für Qatar, und damit gegen Menschenrechte, Emanzipation, LGBTIQ*, Transparenz und Umweltschutz.“

Weitere Gründe für einen Boykott sind so eindeutig wie oft genannt: die systematische Unterdrückung von Frauen, fehlende Religionsfreiheit, die Verfolgung der LGBTQ Community, die Abwesenheit von Arbeitsrechten, Korruption, Kommerzialisierung und nicht zuletzt tausende von toten migrantischen Arbeiter:innen u.v.m.

Kapitalismus macht auch vor Fußball nicht halt. Wir können die Zwänge der Marktwirtschaft zwar kritisch und moralisch reflektieren und uns so davon distanzieren, wie es dieser Tage oft und gern geschieht. Jedoch wird ein Boykott weder die korrupte FIFA reformieren noch den ausgebeuteten Arbeitskräften in Katar helfen. Denn fällt dort jemand aus oder stirbt, an den untergründigen Arbeits- und Lebensbedingungen, wird er einfach ersetzt. Die Schlange der migrantischen Arbeiter:innen, die nur warten ausgebeutet zu werden, einfach weil sie keine andere Wahl haben, ist sehr lang. Wer nicht arbeitet, verhungert oder ist „überflüssig”, ein die Verwertung belastender Kostenfaktor.

Auffällig ist, dass die Gründe für die fehlenden Menschenrechte oft nicht explizit genannt werden. Islamismus ist ausschlaggebend für die mangelnden Freiheiten in Katar. Lediglich die Broschüre der #BoycottQatar2022 Kampagne erwähnt die fundamentalistische Staatsreligion in Katar – den Wahhabismus und die Terrorfinanzierung von u.a. Hamas und den Taliban durch Katar.

Ob es zielführend ist, die WM zu boykottieren, wurde auch bei der Aktion 3. Welt Saar  diskutiert, die Fußball AG der Aktion 3.Welt Saar  „….in den Lauf.Fußball.Fans.Kultur“  hat sich der BoycottQatar Kampagne angeschlossen. Vor allem, weil man es als Gelegenheit nutzen kann, Dinge beim Namen zu nennen: „Bei der Fußball-WM ist die Welt zu Gast bei Islamisten. Katarische Einrichtungen unterstützen mit Millionenbeträgen in westlichen Ländern Organisationen, die die islamistische Ideologie verbreiten.“ So Peter Rüttgers von der Fußball AG. Und weiter: „Ich halte nichts davon, sich alle vier Jahre bei EM und WM pflichtbewusst, darüber zu beklagen, dass Fußball Kommerz ist“.

Ethisches Handeln innerhalb des Kapitalismus ist quasi unmöglich. Und ja, auch der Kreisligaverein handelt kapitalistisch, wenn auch nicht in die Ausmaße wie vielleicht der FC Bayern München oder RB Leipzig. Bereits Max Weber hat den Kapitalismus zu Recht als ethisch nicht regulierbar bezeichnet. Er kann nur als Ganzes aus ethischen Gründen abgelehnt werden, weil er nicht dazu in der Lage ist, die Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben zu schaffen. Er bietet lediglich Nischen für ethisches Handeln, die aber das Ganze der kapitalistischen Vergesellschaftung nicht antasten.

Was bleibt, ist die radikale Kritik an einer kapitalistischen Vergesellschaftung, die sich dem abstrakten und irrationalen Selbstzweck der Vermehrung von Geld sowie einem patriarchalen Geschlechterverhältnis verschrieben hat und auch vor Menschenleben nicht halt macht.

Was man anstatt eines wahrnehmbaren oder stillen Boykotts fordern könnte, ist die Demokratisierung von Katar, die Abschaffung der FIFA (und keine Reförmchen im Sinne einer menschenrechtsachtenden Vergabe - (wo fangen die an? wo hören die auf?)) und der ökonomische Boykott solcher menschenverachtenden Regime. Damit ist in der aktuellen Lage - Krieg gegen die Ukraine und die daraus folgende Energiekrise- nicht zu rechnen. Die Welt, allen voran Europa, ist von katarischem Gas abhängig. Nichtsdestotrotz kann man sich hier und heute selbst gegen islamistische, sexistische und rassistische Unterdrückung einsetzen.

Verantaltungstip:
Unsere Fußball AG bietet derweil am 1. Dezember ab 20 Uhr zeitgleich zum Gruppenspiel Deutschland – Costa Rica ein Online-Alternativprogramm an: Eine Lesung mit Fußballfans (1. Halbzeit) und Informationen zu Islamismus Made in Katar (2. Halbzeit).

 

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