"Nach und nach hat es sich wie ein enger werdender Käfig angefühlt"

Zeinab Elhad entstammt einer konservativen schiitischen Familie. Sie kehrte dem Islam den Rücken und engagiert sich im Zentralrat der Ex-Muslime. Über ihr Engagement gibt es mehrere  Dokus: „Goodbye Allah – Zeinab glaubt nicht mehr“ in der Hessenschau, eine Diskussion unter dem Titel „Muslim trifft Ex-Muslima“ bei „Leroy wills wissen“ und beim Webtalk der Friedrich-Naumann-Stiftung eine weitere Diskussion mit Mouhanad Khorchide unter dem Titel „Der Islam – und die Freiheit, auch nicht religiös zu sein.“ Peter Rüttgers vom Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3.Welt Saar hat Zeinab zu ihrem Werdegang und ihrem Engagement interviewt.

Welche Rolle hat der Islam in der Herkunftsfamilie /Milieu gespielt?

Ich komme aus einer libanesisch-schiitischen Familie, die nach der Interpretation des iranischen Mullah-Regimes lebt. Meine geschiedenen Eltern sind im Kern davon überzeugt und einem Einfluss aus dem Ausland ausgesetzt. Meine Mutter glaubt zwar an den Islam, zweifelt aber immer wieder an ihrem Glauben. Nichtsdestotrotz lässt sie sich von der muslimischen Gesellschaft einschüchtern, traut sich nicht, über ihre Einwände offen zu sprechen und gibt bei religiösen Fragestellungen und in einigen Aspekten der Erziehung nach. Zum Beispiel wurde ich als Jugendliche von der muslimischen Gesellschaft kritisiert, dass ich öffentlich mit einem Jungen zu sehen war. Danach hat sie mich darum gebeten, dies zu unterlassen und mich eher mit einer Gruppe von mehreren Mitschülern in die Öffentlichkeit zu begeben, was meinen Ruf als Frau nicht schädigen würde. Dies wäre allgemein sehr wichtig, damit ich einen gewissen Wert auf dem Heiratsmarkt beibehalte und nicht als benutzt gelte.
Mein Vater ist religiös und lässt sich sehr von der islamischen Gesellschaft beeinflussen, sodass er mal sehr moderate und mal fundamentalistische Positionen vertritt. Es hat Tage gegeben, in denen er mir als Grundschülerin sagte, er findet, ich sollte niemals ein Kopftuch tragen und mal andere Tage, in denen er den Wunsch äußerte, dass ich als fromme Ärztin die Soldaten der Hisbollah in Syrien behandeln solle.

Waren damit Einschränkungen verbunden?

Ich habe meine Wut und meinen Unmut über gewisse Einschränkungen im Jugendalter versucht nicht zu sehr nach außen zu artikulieren aufgrund der Sorge, als ungläubige Zweiflerin wahrgenommen zu werden. Zum Beispiel wollte ich in der sechsten Klasse mit einem Mitschüler ein Referat vorbereiten. Ich habe meinen Eltern Bescheid gegeben, dass ich bei ihm zu Hause lernen werde, wobei die Frage aufgetaucht ist, ob wir denn alleine seien, was haram, also verboten wäre. Dies würde eine Sünde darstellen, weil ein Mann und eine Frau nicht alleine in einem geschlossenen Raum sich aufhalten dürften. Diese private Atmosphäre könne nämlich zu sexuellen Handlungen verleiten. Freitags haben wir in unserer Gemeinschaft den Koran gelesen und die damit verbundenen religiösen Vorschriften diskutiert. Ein Gebet zu verpassen würde zu Höllenqualen führen, eine Frau solle einem Mann nicht die Hand geben, ein Mann dürfe eine Frau ohne ihr zu stark wehzutun schlagen, die Jungfräulichkeit vor der Ehe zu bewahren sei essenziell, eine Frau habe den Hijab zu tragen und solle darauf achten, bis zum Knie locker sitzende Kleidung anzuhaben und schließlich solle der Sohn in der Familie mehr erben als die Töchter, da er die Verantwortung nachfolgend trage. All das wurde von meinem Milieu vermittelt und gesellschaftlich kontrolliert. Nach und nach hat es sich wie ein enger werdender Käfig angefühlt, den ich nach außen immer wieder verteidigt habe, und nachdem sowieso das Höllenfeuer auf mich wartet, da ich im Prinzip vor allem als Frau - schon fast mit meiner alleinigen Existenz - sündige.

Gegenüber welchen Gruppen war die Abgrenzung / Abneigung besonders heftig?

Der Dauerstreit zwischen Sunniten und Schiiten zeigt, dass sich einige Muslime gegenseitig ausgrenzen. Aus meinem Milieu empfand ich Witze und Fantasien als besonders hart, homosexuelle oder transgeschlechtliche Muslime aus der Community zu bespucken und im Extremfall zu töten.

Was war entscheidend dafür, den Islam zu verlassen?

Im Prozess des Hinterfragens habe ich für mich entschieden, dass falls der Islam tatsächlich perfekt, göttlich und gewinnbringend wäre, dann gebe es all diese Probleme nicht. Es lassen sich all die Missstände mit dem Koran oder mit Hadithen, also Überlieferungen, rechtfertigen. Entscheidend, dem Islam den Rücken zu kehren, ist erstens das Gottesbild. Meine Funktion als Gläubige ist, mich zu unterwerfen und zu gehorchen. Falls ich Allahs Anweisungen und Erklärungen nicht nachvollziehen kann, dann muss ich auf Allah vertrauen. Allahs Funktion ist ein bestrafender Gott.
Zweitens stieß mich das Frauenbild immer weiter ab. Ich habe mich immer weniger als eine fromme, jungfräuliche, dem Mann sexuell zur Verfügung stehende Muslimin verstanden, die daran glaubt, dass der Mann (Stichwort: Erbrecht) mit der Geburt mehr Verantwortung in der Zukunft trägt.
Drittens habe ich mich entschieden, dass Vorbehalte gegenüber Anders- und Nichtgläubigen, Juden und Homosexuellen durch nichts zu rechtfertigen sind. Manchmal frage ich mich, wie Integration in Deutschland überhaupt funktionieren soll, wenn der Zorn eines Gottes namens Allah erweckt wird, wenn ich eine Beziehung mit einem nicht-muslimischen Deutschen eingehe.

Wie bist Du damit umgegangen – wem hast Du das erzählt und wie?

Ich habe mit 17 Jahren einen Freund kennengelernt, der weiter weg gewohnt hat, sodass ich mit jemanden über meine Gedanken und Zweifel sprechen konnte. Diese geografische Distanz war wichtig, weil ich Sorgen hatte, dass mein Umfeld meine Veränderung mitbekommt.

Gibt es nach Deiner Einschätzung mehr Menschen in islamischen Milieus, die sich (evtl. auch heimlich) von der Religion distanzieren?

Meiner Meinung nach zweifelt eine große Mehrheit diese Regeln an. Meine Mutter ist da ein gutes Beispiel, weil sie sogar als erwachsene Frau Angst hat, von ihrer Gesellschaft ausgeschlossen zu werden. Aber ich denke, dass viele „Kulturmuslime“ sich der Probleme bewusst sind, diese aber auf „die Kultur“ und nicht auf den Islam schieben.

Was waren die Konsequenzen?

Zunächst hatte mein Austritt aus dem Islam keine Konsequenzen, weil ich aus dem Norden in das Saarland gezogen bin und niemand meinen Alltag mitbekommen hat. Irgendwann habe ich meiner Mutter meine Entscheidung mitgeteilt, die sie schnell akzeptiert hat. Nachdem ich aber mit meinem Freund zusammenziehen wollte, musste ich meine Beziehung meiner gesamten Familie kundtun. Nach langem Streit und Diskussionen hat mein Vater den Kontakt abgebrochen. Meine Fernsehauftritte haben meine Großmutter dazu gebracht, nicht mehr mit mir zu sprechen. Mehrere Kommilitonen haben sich von mir distanziert. Auch erhalte ich einige Hassnachrichten auf Social-Media.

Gibt es noch Kontakte zu Menschen von „früher“?

Nein. Und wenn, dann ein oberflächliches und freundliches “Hallo”.

Wie bist Du auf den Zentralrat der Ex-Muslime (ZdE) aufmerksam geworden?

Grundsätzlich bringe ich mich gerne gesellschaftlich und politisch ein und habe mehrere Möglichkeiten ausprobiert. Nachdem ich einen Artikel über den Zentralrat der Ex-Muslime gelesen habe, habe ich mir gedacht, das wäre mein Traumengagement mich für mein Herzensthema einzusetzen. Danach habe ich sofort den Antrag auf Mitgliedschaft ausgefüllt.

Was sind die Aktivitäten des ZdE?

Wir organisieren Veranstaltungen wie zum Beispiel die Podiumsdiskussion „Liebe statt Scharia“, die auf Einschränkungen und Hinrichtungen von LGBT-Personen in „islamischen“ Ländern aufmerksam macht und auf die theologisch-islamischen Hintergründe eingeht. Außerdem äußern wir uns auch zu Missständen in Deutschland und haben eine Protest-Demo gegen den ARD/ZDF-Jugendkanal Funk organisiert, der ein propagandaartiges Video über den Hijab veröffentlicht hat. Immer wieder erreichen uns Nachrichten von Lehrern, die um Rat fragen, sei es, wenn Schülerinnen im Ausland verheiratet wurden oder junge Muslime ihre Religion verlassen wollen und mit elterlichen Repressionen zu kämpfen haben.

Ist es notwendig, sich politisch gegen Islam / Islamismus zu engagieren?

Aus meiner subjektiven Sicht würde ich natürlich bejahen, sich für mein Herzensthema zu engagieren. Aber nüchtern betrachtet wäre schon viel getan, wenn man sich traut, als vernunftorientierter Mensch seine Einwände gegenüber dem politischen Islam klar und deutlich zu vermitteln und sich nicht von der Rassismus- und Nazi-Keule beeindrucken zu lassen.

Gibt es Bedrohungen / Anfeindungen?

Ernst zu nehmende Bedrohungen von Fremden habe ich nicht erhalten. Aber immer wieder Anfeindungen, wie: “Ich kack dir in dein Mund um meine Unmut dir gegenüber darzustellen du eingeschränkter Vogel. Lösch dich vom internet denn du hast sowieso kein Mehrwert du hirnverbrannter idiot” (inklusive Rechtschreibfehler).

Hast Du Wünsche an die Politik im Umgang mit Islam / Islamismus

Das mindeste, was ich von Parteien und Politikern erwarte, die sich selbst als Hüter des Grundgesetzes verkaufen und vermarkten, ist, keine Kooperationen mit verfassungsfeindlichen Moscheen wie der DITIB einzugehen.
Ich erwarte vom ehemaligen Hamburger Bürgermeister und jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz, keine Staatsverträge mit dem Islamischen Zentrum Hamburg, das in Verfassungsberichten als der “Außenposten Teherans” bezeichnet wird, zu schließen.
Ich erwarte von einer (ehemaligen) linken Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach Ehrenmorde anzuerkennen und diese nicht durch die Einstufung als “Femizide” unsichtbar zu machen.
Ich erwarte von einer Bundesvorsitzenden der SPD namens Saskia Esken, die Fake-News, Islamismus sei keine Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, zu unterlassen.

 

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